Rückblick – Nachbericht zum 7. DENTRY 2017
Impressionen DENTRY 2017
Kongressbericht DENTRY 2017 – Kurzversion
Kongressbericht DENTRY 2017 – Langversion
Das Motto: „Operation Zukunft – was geht?
Themen: Die Zukunft des Zahnersatzes, Hevido gewinnt den DENTRY Award, Die Zukunft der medizinischen Fachberufe, Aus der Forschung für die Praxis
Bei seiner siebten Auflage bot der DENTRY Dentalkongress Ruhr am 7. Oktober 2017 in Witten seinen Teilnehmenden aus Zahnmedizin, Zahntechnik, Wissenschaft und Dentalindustrie erneut ein durchweg abwechslungsreiches Programm. Unter dem Motto „Operation Zukunft – was geht?“ ging es in diesem Jahr darum, wie technische Entwicklungen den Berufsalltag und ganze Berufsbilder auch interdisziplinär verändern. Dabei stand wie immer das perfekte Zusammenspiel von Zahnmedizin und Zahntechnik im Mittelpunkt des Kongresstages.
Die Zukunft des Zahnersatzes:
Wann Chairside? Wann Labor?
Nach dem Impulsvortrag von Hans-Joachim Beier (Vorstandsmitglied Zahnärztekammer Westfalen-Lippe) nahm das von den Fachbesuchern und Vorständen der Zahnärztekammern Westfalen-Lippe und Nordrhein sowie Obermeistern der Zahntechniker-Innungen heiß diskutierte Thema „Die Zukunft des Zahnersatzes: Wann Chairside? Wann Labor?“ einen großen Raum ein. Das Ergebnis: Auch zukünftig bedarf es bei der prothetischen Versorgung – trotz bzw. gerade wegen der technischen Entwicklungen – der engen Zusammenarbeit von Zahnmedizinern und Zahntechnikern. Die Motivation zur Verbesserung des prothetischen Workflows liegt vor dem Hintergrund von 1 Millionen gesetzten und prothetisch versorgten Implantaten in Deutschland pro Jahr und fünfmal mehr Komplikationen während des Einsetzens und der Nutzungsdauer der prothetischen Restauration als beim chirurgischen Eingriff auf der Hand.
Chairside – was geht (in der Praxis)?
Moderiert von Prof. Dr. Dr. Stefan Haßfeld (Klinikum Dortmund und Universität Witten/Herdecke) und Obermeister Norbert Neuhaus (Zahntechniker-Innung Arnsberg) startete Dr. Petra Gerda Rauch (Zentrum für Zahnheilkunde und Implantologie, Melsungen) mit ihrem Vortrag und stellte die Vorteile des digitalen Workflows heraus. Wesentliche Aspekte dabei sind der optisch digitale Abdruck, statt Gipsmodell und die CAD/CAM-Fertigung individueller monolithischer Abutments bei gleichzeitiger Fertigung von Einzelzahnkronen oder kleinen Brücken (chairside mit CEREC in der Praxis oder im Labor). Zeit- und Materialeinsparung inklusive. In jedem Fall ist und bleibt hier für die optimale Patientenversorgung ein Teameinsatz von Zahnarzt und Zahntechniker notwendig.
Vision zur virtuellen Konstruktion
Sandra Häge-Betz (praxisHochschule Köln) entführte die Anwesenden im Anschluss in die Zukunftsvision der virtuellen Konstruktion: Geräte kommunizieren miteinander, so dass einzelne Arbeitsschritte im herkömmlichen Sinne durch Prozesse ersetzt werden. Einzelne PCs in den Praxen sowie Lagerhaltung werden überflüssig. Die zukünftigen Einsatzgebiete der sogenannte Augmented Reality scheinen fast grenzenlos und sind nur vom aktuellen Stand der Technik begrenzt. So könnten bei der prothetischen Versorgung beispielsweise wichtige Informationen direkt auf den Patienten projiziert oder Zielpunkte und Abstände markiert werden.
Wann ist welcher Weg wirtschaftlich?
Unter Moderation von ZTM Jürgen Sieger (Zahntechniker-Innung Arnsberg) und Prof. Dr. Hartmut Weigelt (praxisHochschule Köln) ging es mit einem Vergleich der Wirtschaftlichkeit typischer Chairside-Arbeitsprozesse wie Einzelkronen und Inlays gegenüber der Einbindung eines Labors weiter. ZTM Markus Strobel und Ralph Ziereis (Teamziereis GmbH, Engelsbrand) kamen eindeutig zu dem Schluss, dass Dentallabore mit Blick auf die Fallzahlen, den Einarbeitungs- und Schulungsaufwand sowie die Personalkosten deutlich wirtschaftlicher arbeiten können. Die Nutzung von Intraoralscannern bietet dabei weiter deutliche Vorteile für Patient, Praxis und Labor.
Der digitale Weg in der Praxis: Wirklichkeit – Visionen
Prof. Dr. Karsten Kamm (praxisHochschule Köln) verdeutlichte, dass die Herausforderung für die digitale Prozesskette der Zukunft in der Vernetzung und der immer genaueren Abstimmung der Arbeitsprozesse liegt. So werden additive Techniken entwickelt und müssen in den Arbeitsprozess integriert werden, beispielsweise das Drucken von Keramik. Schon heute liegt die Genauigkeit zum Beispiel bei der digitalen Farbbestimmung bei 95-100 % gegenüber 75 % bei der analogen Bestimmung.
Digitale Abformung versus konventionelle Abformung
Jan Hollander (NWD-Gruppe, Münster) arbeitete in seinem Vortrag die Vorteile der digitalen intraoralen Abformung heraus. Es wurde deutlich, das Zahntechnische Labore bei der Konstruktion und Fertigung von Zahnersatz soweit möglich bereits auf digitale Techniken zurückgreifen. Das volle Potential des digitalen Arbeitsprozesses kann jedoch erst dann genutzt werden, wenn sich die intraorale Abformung flächendeckend durchsetzt.
Hevido gewinnt den DENTRY AWARD 2017
Zum nunmehr fünften Mal konnte in diesem Jahr, unterstützt durch die Firma Si-Tec GmbH und ausgewählt durch eine hochkarätig besetzte Fachjury, der mit 2.500 Euro dotierte DENTRY Award für eine vorbildlich versorgungsbezogene, technische, kommunikative, wirtschaftliche oder sonstige Kooperation vergeben werden. Der AWARD ging an HeymerConsult für das Kommunikationssystem Hevido-Dental. Mit Hevido-Dental hat HeymerConsult ein derzeit weltweit einzigartiges Kommunikations-System speziell für die Dentalbranche entwickelt, welches eine Live-Video Verbindung zwischen Praxis und Labor ermöglicht, bei der direkt auch die Intraoral-Kamera und weitere Spezialkameras (für z. B. Abformungen, Artikulator, Dokumente etc.) eingebunden werden können. Die damit erstmals mögliche ad hoc Echtzeit-Verbindung spart Wege, Wartezeiten und ermöglicht eine noch engere Zusammenarbeit – und das bei höchstem Schutz sensibler Daten. Hevido kann sowohl in der Unternehmenskommunikation als auch im medizinischen Bereich zum Einsatz kommen und damit auch einen Beitrag zur Verbesserung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum leisten. Die Laudiatio hielt Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Stefan Haßfeld (Klinikum Dortmund und Universität Witten/Herdecke), Dr. Bernd Krahl (Si-Tec GmbH, Herdecke) überreichte den Award an die Entwickler Nadine Hesse und Dirk Heymer, die nach der Preisübergabe als Anwendungsbeispiel die Zusammenarbeit eines Dentallabors mit einer Zahnarztpraxis vorstellten.
Junge Menschen und ihre Gründe für die Berufswahl
Nach der Verleihung des DENTRY Awards ging es inhaltlich weiter mit der Zukunft der zahnmedizinischen und zahntechnischen Fachberufe und dem Fokus auf die Beschäftigten in diesem Bereich. Manfred Kowal (1. Vorsitzender der Pädagogischen Arbeitsgemeinschaft Zahntechnik), stellte in seinem Sondervortrag Ergebnisse verschiedener Studien bzw. Veröffentlichungen zu diesem Thema vor. Im Wesentlichen ging es um die Generation Z, also die ab 1995 Geborenen. In diese Generation wird Arbeit offensichtlich neu definiert und das zu den eigenen Bedingungen mit dem Prinzip der Lebenslustmaximierung und Komfort im Vordergrund. Danach werden auch die Arbeitgeber ausgesucht. Aspekte wie gutes Betriebsklima und Image, moderne Ausstattungen, Menschen helfen, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie Zukunftsperspektiven stehen dabei im Vordergrund.
Die Zukunft der dentalen Fachberufe
Eine Ausbildung als Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA) oder in der Zahntechnik ist interessant und zukunftsfähig. Aber warum wählen immer weniger junge Menschen diesen Weg? Dieser Frage ging Prof. Dr. Stefan Zimmer (Universität Witten/Herdecke) mit den Teilnehmenden an der folgenden Podiumsdiskussion nach. Berufliche Bedürfnisse von Zahnmedizinischen Fachangestellten, Praxisinhabern und Zahntechnikern wurden mit Vertretern von Berufsverbänden und Bildungseinrichtungen thematisiert.
Aus Sicht von Hans-Joachim Beier (Vorstandsmitglied Zahnärztekammer Westfalen-Lippe) sei ZFA heute kein „Sackgassenberuf“ mehr. Durch attraktive Fortbildungsmöglichkeiten sei sowohl in der Verwaltung/Abrechnung (Fachwirtin und Betriebswirtin) als auch in der Prophylaxe (NP und DH) eine Karriere möglich. Mittlerweile seien die Tarifverträge – nach denen vor dem Hintergrund der arbeitnehmerfreundlichen Arbeitsmarktsituation auch in vielen Bereichen, die keine Tarifverträge abgeschlossen haben, bezahlt werde – durchaus vorzeigbar.
Irene Thiesen (Präsidentin des Berufsverbandes Deutscher Dentalhygienikerinnen BDDH e.V.) hingegen meinte, dass der Beruf ZFA von vielen jungen Leuten immer noch mit schlechten Aufstiegs- und Entfaltungsmöglichkeiten und niedriger ungerechter Bezahlung in Verbindung gebracht würde. Zudem sei die mit dem Beruf verbundene soziale Anerkennung gering. Zudem spielten Zähne, außer aus ästhetischen Gründen, im Bewusstsein der Jugendlichen eine geringe Rolle.
Sylvia Gabel (Verband medizinischer Fachberufe e.V.) stellte fest, dass die Ausbildungsvergütung in den letzten Jahren durchaus angehoben wurde, aber nicht vergleichbar mit anderen Berufen. Darüber hinaus spielten Arbeitszeiten, work-life-balance und Aufstiegsmöglichkeiten bei der Berufswahl eine sehr große Rolle. Sie appellierte, Auszubildende nicht als die „günstigen“ Mitarbeiter zu sehen, sondern eine Verpflichtung darin zu sehen, ihnen eine sehr gute Ausbildung zu gewährleisten.
Barbara Jung (stv. Schulleiterin, Berufskolleg Witten) brachte ein, dass junge Menschen bei der Suche nach einer passenden Ausbildung kaum über diesen Beruf „stolperten“. In den Medien, die als Informationsquelle genutzt werden, und auch in der Berufsberatung führe der Ausbildungsberuf ZFA ein Schattendasein. Sylvia Gabel nahm ergänzend auch die Zahnärztekammern in die Pflicht, besser über diesen Beruf zu informieren.
Nach Meinung von Prof. Dr. Werner Birglechner (praxisHochschule Köln) seien die Aufstiegschancen im Ausbildungsberuf ZFA limitiert. Akademisierung könne ein Weg sein, die besten und engagiertesten an die Zahnarztpraxis zu binden. Zum Ausbildungsberuf Zahntechniker/-in konstatierte er, dass die Ausbildungsinhalte nur rudimentär die technologischen Entwicklungen widerspiegeln und den Entwicklungen um Jahre hinterherhinkten. Möglicherweise komme es zu einer vollständigen Verlagerung von Wertschöpfungsketten, ohne dass die Zahntechniker darauf inhaltlich vorbereitet seien.
Norbert Neuhaus (Obermeister ZTI Arnsberg) entgegnete, dass der Beruf des Zahntechnikers durch die neuen Zukunftstechnologien attraktiver geworden sei. Fundiertes Wissen und analoge Fertigung können digital umgesetzt werden. Auf Augenhöhe würden Zahntechniker/-innen auch in Zukunft dem qualitätsorientierten Zahnarzt ein unverzichtbarer Partner sein. Weiterhin stellte er auch für diesen Beruf fest, dass sich viele Schulabgänger fragen, ob dieser Beruf noch auskömmlich sei. Im personalintensiven Handwerk bestimmten im Wesentlichen die Preise die Löhne. Es herrsche Lohnkonkurrenz.
Aus der Forschung für die Praxis
Für zusätzlichen Transfer aus der universitären Forschung in die Praxis sorgte das auch am Samstagnachmittag gut besuchte „Herbstsymposium“ des Departments Zahnmedizin der Universität Witten/Herdecke unter Vorsitz von Prof. Dr. Jochen Jackowski (Universität Witten/Herdecke).
Airfloss – eine Alternative zur Zahnseide?
Regelmäßiges Zähneputzen reicht für die Reinigung der Zahnzwischenräume nicht aus. Die Anwendung von Zahnseide stößt in der Bevölkerung jedoch meist nur auf geringe Akzeptanz. Daher beschäftigt sich die Forschung mit der Entwicklung von Interdentalraumpflegeprodukten mit einer höheren Akzeptanz als Alternative zur Zahnseide. Frau PD Dr. Mozhgan Bizhang (Universität Witten/Herdecke) stellte in ihrem Vortrag aktuelle Studien zur Anwendung von AirFloss vor.
Zuckerfreier Kaugummi – senkt Karies und Kosten
Prof. Dr. Stefan Zimmer stellte eine Studie vor, in der der gesundheitliche und ökonomische Nutzen des Kauens von zuckerfreiem Kaugummi untersucht wurde. Es konnte gezeigt werden, dass eine leichte Erhöhung des Konsums von zuckerfreiem Kaugummi von 111 Stück pro Jahr (aktueller Stand in Deutschland) auf jährlich 202 (Konsum in Finnland) zu einem erheblichen Gesundheitsgewinn und hohen Kosteneinsparungen führen würde. Die Studie war in Zusammenarbeit mit dem Institut für Empirische Gesundheitsökonomie (Burscheid) entstanden.
Hochleistungskunststoffe – eine Alternative zu keramischen Restaurationen?
ZA Oskar Bunz (Universität Witten/Herdecke), der gleichzeitig als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für Prothetik und dentale Technologie und als Student im PhD-Programm Biomedizin tätig ist, stellte moderne zahnfarbene Kunststoffmaterialien zur prothetischen Versorgung vor. Hochleistungskunststoffe wie fräsbare Komposite, polymerinfiltrierte Keramiken, PEEK etc. wurden klassifiziert und nach ihrer Indikationsstellung eingeteilt. In einer eigenen Forschungsarbeit zeigte Oskar Bunz Unterschiede des Haftverbundes von Hochleistungspolymeren im Vergleich zu Verblendkomposit. Dabei wurden verschiedene Bondingsysteme als Haftvermittler in-vitro getestet.
Fazit
Die Veranstalter MedEcon Ruhr und ZBZ Witten wie auch das interdisziplinär besetzte Kongresspräsidium sehen sich in der Themenauswahl zum diesjährigen DENTRY mehr als bestätigt: „Die teils kontroverse Diskussion der Kongressbeiträge zeigte deren Notwendigkeit und mündete immer wieder im Konsens, dass für eine optimale Patientenversorgung auch zukünftig Zahnmediziner und Zahntechniker eng zusammenarbeiten müssen. Das mit dem diesjährigen DENTRY-Award ausgezeichnete Videokommunikationssystem von Hevido an der Schnittstelle Praxis-Labor kann dabei einen Beitrag zur Optimierung dieser Zusammenarbeit leisten.“ so Prof. Dr. Dr. Stefan Haßfeld (Klinikum Dortmund, Universität Witten/Herdecke und Vorstandsmitglied MedEcon Ruhr e.V.).
Begleitet wurde der Kongress durch eine Industrieausstellung der Firmen Dentsply Sirona Implants, Dr. Hinz Dental Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG, Hager & Meisinger GmbH, Mionica GmbH, orangedental GmbH & Co. KG, Si-tec GmbH, Speiko – Dr. Speier GmbH sowie die praxisHochschule Köln und den Verband medizinischer Fachberufe e.V.